Interview: Angela Losert, Stiftsgarten Bern - Gründerin, Pionierpflanze und Macherin mit sozialer Vision
Bild: Andreas von Gunten
Angela, was treibt deine Vision vom Stiftsgarten Bern an?
Kurz und bündig gesagt: Menschen die Vielfalt des Gartens näher zu bringen und Nachhaltigkeit vermitteln, die heilsam für die Seele ist. Mir ist es wichtig, durch den Garten einen positiven Bezug zum Essen zu schaffen, und dies im urbanen Raum. Ich möchte einen Ort gestalten, wo Menschen sein können, wie sie sind, auch und gerade mit einer Benachteiligung oder Behinderung im Leben. Der Garten und die Pflanzen haben einen Zauber in sich, den ich weitervermitteln möchte. Wie Pflanzen und Insekten, die ganze Natur miteinander kommunzieren, ist doch ein Wunder, oder nicht?
Der Stiftsgarten steht auch für Integration, Beteiligung und Inklusion. Gelingt diese?
Ja, mit dem Projekt Chancen der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern haben wir ein Angebot für Menschen mit Fluchthintergrund geschaffen. Zweimal in der Woche arbeiten vier Personen in der Verarbeitung unserer Produkte mit. Auch zwei Personen mit IV-Hintergrund haben durch die Gartenarbeit eine Struktur im Alltag gefunden. Leider gibt es viel zu wenige dieser Angebote für Menschen mit einer Benachteiligung. Im Garten finden sie Struktur und die Arbeit mit Pflanzen erdet sie. Das Miteinander auf Augenhöhe ist eine Bereicherung für alle und eine grosse Motivation, mich für das Projekt zu engagieren. Der Garten ist aber für alle Menschen offen, die mitarbeiten wollen.
«Der Garten und die Pflanzen haben einen Zauber in sich, den ich weitervermitteln möchte»
So einen Garten auf die Beine zu stellen ist ja eine Herkulesaufgabe. Wie kann und lässt sich das alles finanzieren?
Durch Hartnäckigkeit und Durchhaltewillen (sie schmunzelt dabei und zeigt mir dazu Fotos aus der Anfangszeit). Die Mittelbeschaffung, das Fundraising nimmt einen grossen Teil meiner Arbeit ein. Mit der Oekonomischen Gemeinnützigen Gesellschaft Bern ist seit 2017 ein Partner im Boot, der sich finanziell stark beteiligt. Dazu erhalten wir Spenden von weiteren Organisationen und Privaten. Einen kleinen Teil erwirtschaften wir aus dem Produkteverkauf unserer „Bärner Beeren“ und dem Ertrag der Kurse und Führungen im Garten. Zudem wurde ein Förderverein gegründet, der sich der Öffentlichkeitsarbeit annimmt und der langfristigen Finanzierung zur Seite steht. Nicht zu vergessen ist, dass ohne die ehrenamtliche Mitarbeit Vieles nicht möglich wäre. Ich leiste selber neben meinem 50% Arbeitspensum viele Stunden gratis. Die ehrenamtliche Arbeit hatte im Jahr 2017 einen Wert von 76’260.— Franken (bei Fr. 30.— als Stundenlohn), nicht unerheblich, finde ich.
«Einen kleinen Teil erwirtschaften wir aus dem Produkteverkauf unserer "Bärner Beeren" und dem Ertrag der Kurse und Führungen im Garten»
Ich sehe wenig Kohl und Rüebli und klassisches Gemüse im Garten. Hat dies einen Grund?
Ja, wir haben uns spezialisiert auf die Produktion von Obst- und Gemüsebeeren: Gemüse wie Tomaten, Auberginen, Gurken, Kürbisse und Peperoni – sind im biologischen Sinn auch Beeren. Mir ist es wichtig, dass alte Kulturpflanzen angebaut werden und dazu werden wir von ProSpecieRara begleitet. Diese Produkte verkaufen wir direkt an Interessenten oder an lokale Betriebe. Zwischen den Kulturen gibt es Platz für essbare Wildkräuter. Diese möchte ich vermehrt fördern.
Angela, was will und soll die Zukunft für den Stiftsgarten bringen?
Ich wünsche mir, dass es ein bekannter Ort in der Stadt Bern wird, wo gärtnerisches Wissen durch Erfahrung erlebt werden kann. Eine Art Lernort für Nachhaltigkeit und Partizipation, die sinnstiftend ist und den Menschen die Natur wieder näher bringt.
rr/26.10.2018
Garten und Person
Steil geht es zu und her im Stiftsgarten, direkt unterhalb der Münsterplattform gelegen. In Terrassen angelegt, ist er eine grüne und meditative Oase mitten in der turbulenten Stadt und Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Seit 2013 wird der Stiftsgarten, der eine gemeinnützige GmbH ist, von der Gründerin Angela Losert geleitet und als Spezialitätengärtnerei geführt. Der ehemaligen HEKS Projektleiterin Neue Gärten und Geografin ist die Verbindung Garten und Mensch ein wichtiges Anliegen. Die Wunder der Gartenwelt zu vermitteln und die Menschen für einen respektvollen Umgang mit der Natur zu sensibilisieren, ist Teil ihrer Vision des Gartens.
Bilder: stadtwurzel (Klicken zur Vergrösserung)