Interview: Bastiaan Frich, Vizepräsident Urban Agriculture Netz Basel (UANB)


Bild: Noelle Guideon SRF Virus

Bastiaan, was waren die Beweggründe, die zum Netzwerk Urban Agriculture Basel führten?

Der Impuls für die Entstehung und Gründung von Urban Agriculture Netz Basel (UANB) kam vom Verein Soziale Ökonomie, der sich seit der Gründung im Jahr 1996 für einen nachhaltigen und gerechten Wandel in Basel einsetzt. Im Verein sind über 40 Organisationen vertreten, für die im Bereich Landwirtschaft und Ernährung dringender Handlungsbedarf und Potential bestand.

 

Das führte zum Startschuss von UANB, um über das Thema Lebensmittel Antworten auf die brennenden globalen und gesellschaftlichen Fragen zu finden.

 

Die Essbare Stadt – Wunschdenken oder Notwendigkeit für eine nachhaltige Stadt?

In der Anfangsphase des UANB stand die Utopie einer essbaren Stadt als fiktiver Entwurf im Zentrum und entwickelte sich immer mehr zu einer Vision der kleinen Schritte, um reale Möglichkeiten für eine regionale Ernährungssouveränität zu schaffen. Was ist für mich eine essbare Stadt? Historisch gesehen gibt es schöne Beispiele wie die Stadt Havanna, die über 90% Selbstversorgung betreibt. Wenn man sich die globale Situation anschaut, ist die lokale Verantwortung eine Notwendigkeit und kein utopisches Wunschdenken. Wir wollen deshalb an einer regenerativen Landwirtschaft mitwirken.

 

«Ein schönes Beispiel für eine essbare Stadt ist Havanna, die über 90% Selbstversorgung betreibt»

 

Damit haben wir uns auch für Urban Agriculture als Namen entschieden und nicht für Urban Farming oder Urban Gardening. Lokales Engagement für eine globale Solidarität, in der Region für die Region mitzuwirken ist uns wichtig, neue solidarische Modelle zu entwickeln, ökologisch, ökonomisch und sozial. Für uns war die Frage wichtig, wie kann man konkret einen Beitrag zur alltäglichen Ernährung leisten und nicht ausschliesslich eine soziokulturelle Sensibilisierung führen. Das ist unser Bestreben und unser Engagement.

 

Eure Projekte sind wegweisend für eine nachhaltige Stadt. Wie kommt ihr immer wieder auf so tolle Ideen?

Eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Es sind viele Faktoren, die da mitwirken. Ich versuche zwei Faktoren zu benennen. Der erste ist das Resonanzprinzip. Wir gehen also nicht von einem Top-Down-Prinzip aus und wollen Ideen an den Mann oder die Frau bringen. Es braucht entsprechenden Raum, Kreativität zum Ausdruck zu bringen und damit andere zu begeistern. Uns war die Bildung eines Netzwerkes, einer Community sehr wichtig und zentral dabei ist natürlich die gegenseitige Kommunikation. Als konkretes Beispiel: Kaffeesatz und Pilze – es kam die Idee auf, dass Kaffeesatz doch ein wichtiger Rohstoff ist und man diesen noch brauchen kann.

 

 «Kreativität und die Entstehung neuer Ideen hat viel mit Hingabe und Gefühlen zu tun»

 

Daraus hat sich ein Projekt zum Anbau von Speisepilzen auf Kaffeesatz entwickelt. Wir haben hier den Raum zur Verfügung gestellt und die Infoveranstaltung initiiert. Daraus entstand bei den Beteiligten die Resonanz, das Projekt zu starten und aufzubauen. Ein anderer Faktor ist, wie man in eine kreative Phase kommt. Das hat viel mit Hingabe und Gefühlen zu tun, die zu einem kreativen Momentum und zur Geburt einer Idee führen kann. Uns ist es wichtig, dass die Menschen sich durch unser Netzwerk unterstützt fühlen und dabei auch die Kraft der Gemeinschaft erfahren, damit wir gemeinsam die Projekte umsetzen können.

 

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Basel im Bereich „Essbare Stadt“? (Land zur Verfügung stellen, finanzielle Mittel oder fachliche Unterstützung, etc.)

Das ist eine der grösseren Herausforderungen. Für die Zusammenarbeit ist gegenseitiges Verständnis sehr wichtig. Der Kanton ist natürlich an langjährigen Partnern interessiert und am Anfang als neue gemeinnützige Organisation brauchte es einige Zeit, bis wir als Partner akzeptiert wurden. Inzwischen gibt es uns 8 Jahre und wir konnten den Kanton bei der Unterzeichnung des Milan Urban Food Policy Pakt begleiten und daraus entstand die Mitarbeit in einer Fachgruppe verschiedener Departemente. Böse Zungen behaupten zwar, das ist immer was sie machen, wenn sie nicht genau wissen, was sie machen sollen. Doch für uns war das ein wichtiger Schritt.

  

«Für die Zusammenarbeit mit der Stadt ist gegenseitiges Verständnis sehr wichtig»

 

Dieser soll zum Aufbau und Entwicklung einer Food Policy zur Ernährungssouveränität beitragen. Natürlich sind wir mit unseren Anliegen im Spannungsfeld vieler Nutzungsinteressen, wenn es z.B darum geht, Obstbäume zu pflanzen. Aus Stadtsicht führt dies zu mehr Wespen und die Frage der Ernte ist für sie nicht gelöst. Für uns ist unser Kanton nicht der Mutigste und agiert eher konservativ, wenn es um neue Projekte geht. Eine enge Zusammenarbeit ergab sich im Rahmen der Expo Milano 2015, bei der wir als Aussteller zum Thema «Basel gärtnert» dabei waren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir eher mit anderen Partnern zusammenarbeiten, weil es für uns einfacher und effizienter ist.

 

Wir sind aber weiterhin bestrebt einen fruchtbaren Weg zu finden, um gemeinsame Projekte durchzuführen und gemeinsam Basel zu einer ernährungssouveräneren und regenerativeren Stadt weiterzuentwickeln. Oft ist es so, dass die Verwaltung mit einer Verzögerung auf Ideen kommt, die in unserem Netzwerk schon länger umgesetzt werden. Das kann sehr frustrierend sein.

 

Welche Aufgaben und Entwicklungen sind in Zukunft noch geplant oder möchten verwirklicht werden?

Ideen haben wir Hunderte, wenn nicht Tausende. Es braucht aber auch immer Konsolidierung der bestehenden Projekte und entsprechend auch Wertschätzung für das Geleistete. Die Gründerphase ist nach achtjährigem Bestehen vorbei und es gilt jetzt Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, um die Projekte langfristig zu sichern. Zudem sind Fragen zu klären, wo fängt ehrenamtliche Arbeit an und wann ist die Arbeit zu bezahlen.

 

Eine Herausforderung ist es neuen Interessierten das Gefühl und die Möglichkeit zu vermitteln, sich am Netzwerk sinnvoll beteiligen zu können. So gesehen geht es um einen Kompetenzaufbau für die nächsten Jahre, damit der Nährboden für weitere Projekte, die Absicherung durch finanzielle Mittel und eine gesunde Unterstützung für das Netzwerk entstehen kann. Das grösste Potential sind aber immer noch mitdenkende Menschen, die sich in unserer Community einbringen und Ideen mit uns entwickeln und dann auch umsetzen.

 

 rr/ 21.3.2018

 

 

Zur Person von Bastiaan Frich

Bastiaan ist ein Autodidakt, Familienvater und Selbstversorger. Er studierte Gewaltfreie Kommunikation bei Marshall Rosenberg, Permakultur und Biologie. Bastiaan ist ein Netzwerker und ausserdem Initiant von Uni Gärten Basel, war langjähriges Vorstandsmitglied von Permakultur Schweiz und ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied von Neustart Schweiz Regio Basel.

 

Zusätzlich ist er Initiant von diversen weiteren Projekten wie beispielsweise den weit über die Landesgrenzen bekannten und preisgekrönten öffentlichen Gemeinschaftsgarten Landhof, der Lebensmittelgemeinschaft Basel , dem CSA Projekt Nuglar Gärten und dem 2000m2 Weltacker Schweiz. All diese Projekte und Erfahrungen im Aufbau von Allianzen mit seinem vielseitigen Ausbildungshintergrund, machen ihn zu einem internationalen Brückenbauer.

 

Wer ist Urban Agriculture Netz Basel (UANB)

Der gemeinnützige Verein Urban Agriculture Basel ist ein Netzwerk und besteht seit 2010. Er fördert den Anbau von Gemüse, Kräutern und Heilpflanzen in der Stadt Basel und Umgebung. Grundpfeiler der verschiedenen Projekte ist die ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Zurzeit gibt es 56 Projekte, die umgesetzt und an Vielfalt wegweisend sind. Um nur einige zu nennen: Lecker-Acker, Gartenkind, Permakultur Erdschule, Generationengarten, Essbare Inseln und 51 andere tolle Projekte.

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