Interview: Maurice Maggi, Stadtsammler, floraler Anarchist und Koch – Pionier der heutigen Urban Gardening Bewegung


Bild: Corina Flüh

Maurice, was bist du nun? – Guerilla Gardener, wilder Stadtgärtner oder Urban Gardener?

Ich wurde auch schon als floraler Anarchist betitelt. Guerilla Gardener ist mir wenig sympathisch, weil dabei die Intention eines Kampfes, Krieges mitschwingt. Eigentlich bin ich ein Sammler, deshalb gefällt mir die Bezeichnung Stadtsammler, Sammler in der Stadt am Besten.

 

Was ist dein Anliegen als urbaner Gärtner? Zürich ein bisschen grüner machen oder steckt mehr dahinter?

Ich bin ja schon etliche Jahre mit meinen floralen Interventionen in der Stadt unterwegs und meine Anliegen haben sich im Laufe der Zeit verändert. Am Anfang waren meine Aktionen ein Protest gegen das "Pflegekonzept" der Stadt Zürich im Umgang mit dem Grün. Ich empfand das Ausreissen und Jäten als etwas Unsinniges und verstand meine Interventionen als Protest dagegen. Später wurden meine Anliegen immer mehr poetischer Natur und haben sich zu der Bezeichnung als Blumengraffiti entwickelt. Mit heimischen Wildblumen habe ich Brachnischen mit floralen Interventionen in der Stadt Zürich markiert.

 

«Am Anfang waren meine Aktionen ein Protest gegen das «Pflegekonzept» der Stadt Zürich im Umgang mit dem Grün.»

 

Was muss sich verändern, damit sich deine Ideen von mehr Grün in der Stadt Zürich verwirklichen lassen?

Mehr vertikale Begrünung der Fassaden. Keine unnötigen Versiegelungen der Erde mehr. Sondern die Erde offen lassen oder Versiegelungen wieder öffnen für die entstehende Spontanvegetation. 4.2 km2 Trottoirfläche in der Stadt Zürich könnten so wieder spontan begrünt werden, das finde ich sehr viel. Zudem müssen wir die Nahversorgung wieder einfacher machen. Ein Bauer sollte ohne Auflagen sein Gemüse unkompliziert auf der Gasse verkaufen können. Konsument und Produzent rücken so wieder näher zusammen. Wir müssen die Lebensmittelversorgung in der Stadt radikal neu denken. Urban Gardening ist dabei ein Mosaikstein.

 

Dein Buch «Essbare Stadt» ist ja für jeden am Thema Interessierten ein Muss. Du verbindest das Wildpflanzensammeln in der Stadt mit deinen Kochkünsten. Wie kommt es bei den LeserInnen an?

Das Buch kam in der Schweiz und auch europaweit sehr gut an. Ich gebe immer noch Vorträge in verschiedenen Städten, wie z.B in München. Als Landschaftsgärtner und Koch ist mir die Verbindung von Wildpflanzen und Kochen ein wichtiges Anliegen.

 

«Pionierpflanzen, die sich aus einer Ritze im Asphalt oder durch den Spalt im Beton ans Tageslicht gekämpft haben, waren für mich wichtige Inspirationen auf meinem Weg.»

 

Wie und von wem wurdest du zu deinen Aktionen inspiriert? Wo liegen da deine Wurzeln?

Mit den Blumengraffiti habe ich schon vor 34 Jahren angefangen. Mich hat auch immer fasziniert, wie man sich ernährt und ich war fasziniert von den Nahrungsmitteln und ihren verschiedenen Gerüchen und den unterschiedlichen Sinneseindrücken ihres Geschmacks. Pionierpflanzen, die sich aus einer Ritze im Asphalt oder durch den Spalt im Beton ans Tageslicht gekämpft haben, waren für mich weitere wichtige Inspirationen auf meinem Weg. Ich habe sie immer als Gesinnungsgenossen verstanden.

 

 

 rr/ 6.07.2018

 

 

Zur Person

Maurice Maggi, Künstler, floraler Anarchist, Urban Gardener der ersten Stunde, Landschaftgärtner und Koch, Buchautor von «Essbare Stadt», 2014, «Einfache Vielfalt», 2016, «Mangez la ville», 2016.

www.maurice-maggi.ch


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